Platonische Liebe

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Platonische Liebe beschreibt eine auf den altgriechischen Philosophen Plato zurückgehende Form der Zuneigung zweier Menschen, die sich erst im gemeinsamen Erkenntnisstreben, der Zeugung im Geiste und der philosophischen Liebe zu den ewigen Ideen des Guten, Schönen und Wahren realisiert.

Platonische Dialoge

Plato entwirft in seinen Dialogen Das Gastmahl (Symposion oder von der Liebe) und Phaidros - oder vom Schönen das Programm einer Philosophie, die den eros als wesentlichen Erkenntnistrieb und Agens einer sittlichen Vervollkommnung des Menschen vorstellt. Das wahre Wesen des eros sei Sehnsucht nach dem Schönen, genauer: »das Verlangen, im Schönen zu zeugen« [1]. Insofern auch die gemeine, sinnliche Liebe diesen Zeugungsaspekt und die Neigung zur körperlichen Wohlgestalt beinhaltet, handelt es sich bei der platonischen Liebe nur um eine höhere Form.

In der von Sokrates in Platos Gastmahl wiedergegebenen Rede der Diotima wird der »philosophische Aufschwung«, den die platonische Liebe bewirkt, erläutert: von der Zuneigung zur Schönheit  e i n e s  Leibes, über die Liebe zur Idee der leiblichen Schönheit, die Liebe zur schönen (tugendhaften und tüchtigen) Seele bis hin zur neidlosen Liebe zur Erkenntnis und Weisheit, d.h. zur Schönheit der Idee(n).

Im Kontext der antiken Päderastie

Eine platonische Liebesbeziehung ist nur denkbar unter Ranggleichen, d.h. zwischen Individuen, die den Status frei geborener und vollberechtigter Polisbürger haben, zumindest potentiell. Das schließt Frauen und Sklaven aus. Der platonische Eros hat seine Wurzeln in der sozialen Instituton der Päderastie. Politisch reagiert er auf Verfallstendenzen des Staates, insofern mit seiner Idee verknüpft ist, dass politische Kardinaltugenden, wie Gerechtigkeit, Tapferkeit, Besonnenheit und Frömmigkeit, in der menschlichen Seele Urbilder haben, die in Liebe vergegenwärtigt werden können.

Neuzeitliche Deutungen

Der Renaissance-Philosoph und Plato-Übersetzer Marsilio Ficino (1433–1499) aktualisierte die Idee der Platonischen Liebe als amor Platonicus. Für ihn ist die Liebe ein Affekt des Willens, der sich dem Gegenstand anverwandle und ihn somit besser erreichen könne als der Intellekt. Nach Ficino richtet sich die Liebe der Menschen stets auf das Göttliche, womit auch die Liebe zu einem Menschen auf das Göttliche in diesem und damit letztlich auf Gott abziele.

Wilhelm Wiegand[2] legte den Grundstein für die moderne Umdeutung des Begriffs. Er fasste die platonische Liebe als die »von sinnlichem Interesse freie Liebe und insbesondere die geistige Verbindung zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts, der lediglich diese Gesinnung zu Grunde liegt.«[3]

Entsprechend dieser Definition wird heute platonische Liebe oder platonische Beziehung allgemein als asexuelle, oft sogar als entsinnlichte Form der Zuneigung zweier Menschen, als innige Freundschaft und Verbundenheit oder als Seelenverwandschaft begriffen.

Kritik

Ernest Borneman kritisiert in seiner Enzyklopädie der Sexualität [4] die gängige Auffassung der platonischen Liebe als Distanzliebe und behauptet, Plato habe in seinen Dialogen nicht etwa eine Philosophie der ätherischen Liebe, sondern eine Rechtfertigung der (auch körperlichen) Knabenliebe gegeben. Richtig ist, dass körperliche Schönheit durch die wohlgeratene Seele nicht etwa negiert, sondern ihr nur nachgeordnet wird.

Platonische Pädophilie?

In den aktuellen Debatten unter Boylovern und Pädos wird die platonische Liebe manchmal im Zusammenhang mit dem pädagogischen Eros als eine ethisch geforderte, angemessene oder allein vertretbare Form der Beziehung zwischen BL und Junge vorgestellt. In der Regel wird der moderne, vulgarisierte Begriff einer asexuellen Freundschaft gebraucht, um dem monströsen Image der Pädophilie entgegenzuwirken (siehe auch: Edelpädo). Dabei wird nicht nur die Ursprungsbedeutung des Begriffs übergangen, sondern auch übersehen, dass die platonische Liebe eine sehr ambitionierte Form und elaborierte Idee geistiger Verbundenheit darstellt, deren Realisierung mit (vorpubertären) Jungen in unserer heutigen Zeit noch viel unangemessener ist als eine Liebe, die "durch die Haut" geht: Jungen lieben nicht platonisch.


Quellen

  1. Symposion, 25. Vgl. auch Weischedel, Wilhelm (1973). Die philosophische Hintertreppe. München: Nymphenburger, S. 39 ff.
  2. Vgl. Wiegand, Wilhelm (1877). Die wissenschaftliche Bedeutung der platonischen Liebe. Eine in der Gesellschaft für Wissenschaft und Kunst zu Gießen gehaltene Vorlesung.
  3. Meyers Konversationslexikon, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892, S. 124
  4. Bornemann, Ernest (1990). Enzyklopädie der Sexualität. Frankfurt am Main/ Berlin: Ullstein, S.634.