Bibliothek/Cocca,Carolyn (2004). Jailbait: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 26. Juni 2009, 09:16 Uhr

Carolyn E. Cocca:

Jailbait : the politics of statutory rape laws in the United States. – Albany, NY: State University of New York Press, 2004. – xiii, 228 p. 23 cm. – ISBN 0-7914-5906-3

Ebenfalls besprochen:

Politikwissenschaftliche Studie der Gesetzgebungsprozesse, die nach 1970 in den Teilstaaten der USA zu vielschichtigen Veränderungen der statutory rape Straftatbestände führten, die außereheliche sexuelle Handlungen mit Partnern unterhalb eines gewissen Alters verbieten.

Die Verfasserin zeigt, daß, anders als es ein verbreitetes Vorurteil will, es einzelne Interessengruppen waren, die die Gesetzgebung in diesem Bereich beeinflußten, und nicht die Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung oder vage »Werte«. Damit hilft sie, politische Auseinandersetzungen besser zu verstehen. Darüberhinaus findet man hier umfangreiches Material über die jüngere Geschichte des amerikanischen Sexualstrafrechts.


In dieser Arbeit untersucht die Verfasserin, die politische Wissenschaften am Old Westbury College der State University of New York lehrt, die Entwicklung der statutory rape Tatbestände in den amerikanischen Bundesstaaten in der Zeit ab etwa 1970; ein Thema, das bei Kollegen irritierte und besorgte Blicke und Fragen auslöste. Worin liegt nun aber ihr Interesse begründet?

Diese Tatbestände, die sich heute unter den verschiedensten Bezeichnungen in den einzelstaatlichen Gesetzbüchern finden, verbieten sexuelle Handlungen mit unverheirateten Partnern unterhalb eines gewissen »Schutzalters«. Scheinbar stellen sie nur die Übernahme schlichter moralischer Normen dar; so werden sie allgemein verstanden und tragen also zum öffentlichen Diskurs über Geschlecht und Sexualität das ihre bei. Ein näherer Blick zeigt aber, daß diese Normen eine wechselvolle Geschichte hatten, während derer sie als Plattform für höchst unterschiedliche Vorstellungen und politische Auseinandersetzungen gedient haben.

Häufig wird angenommen, solche politischen Themen unterlägen als »Moralpolitik« anderen als den üblichen Gesetzen, eine Auffassung, die dadurch gestützt wird, daß es zwischen dem Ergebnis demoskopischer Befragungen und den jeweils geltenden Gestzen in dieesm Bereich eine große Korrellation gibt. Dieser statischen Sicht tritt die Verfasserin entgegen und fragt nach den Ursachen des Politikwechsels. Im Ergebnis findet sie – anders als die herrschende Meinung es zu sehen vermag – eine überragende Bedeutung von Interessengruppen für die handelnden Politiker und damit für die politische Entwicklung. Dabei erinnert sie an jene konservative Agenda, die wiederholt versucht habe, »jedes Übel in den Vereinigten Staaten zu moralisieren und zu individualisieren«.


Im ersten Kapitel finden wir einen geschichtlichen Überblick. Bemerkenswerterweise ist der Kerntatbestand im Common Law schon ziemlich alt, er wurde in den Statutes of Westminster eingeführt [3 Edw c. 13, 1275] und bald ein Kapitaldelikt [13 Edw c. 34, 1285]. Damals lag das sogenannte Schutzalter bei 12 Jahren, seit 18 Eliz. ch. 7 § 4 [1576] sind es 10 Jahre. Geschützt waren nur Mädchen und immer war (und ist noch) die bestehende Ehe mit dem Täter ein negatives Tatbestandsmerkmal. In dieser Form wurde der Tatbestand in die Rechte der amerikanischen Kolonien übernommen; 1885 lag das Schutzalter mal bei 10, mal bei 12 Jahren (vgl.Tab.S. 23f.). Es besteht Einigkeit derüber, daß der Schutzzweck die Bewahrung der als wertsteigernd angesehenen Jungfräulichkeit des Mädchens war [vgl. 450 US 464, 494/5, 1981]. Selbstverständlich waren nur Weiße gemeint, wurde doch die weiße Frau als von Natur rein und keusch angesehen, die farbige dagegen als lasziv, lasterhaft und verwahrlost.[1]


In den Jahren nach 1890 änderten sich die Gesetze praktisch überall. Diese Entwicklung ist wohlbekannt. Treibende Kräfte waren damals Feministinnen, religiöse Konservative und weiße Arbeiterorganisationen gewesen, die eine labile Koalition bildeten und die Reform gegen den Widerstand der Politiker durchsetzten. Im einzelnen differierten die Motive. War die bürgerliche Frauenbewegung um die »Hebung« der als Verwahrlosung empfundenen Moral der weiblichen Arbeiterjugend bemüht, d. h. die Übernahme bürgerlicher Rollenvorstellungen, die religiösen Gruppen um die Unterdrückung v. a. der weiblichen Sexualität, so spielte bei den Arbeitern u. a. die Mutmaßung eine Rolle, Arbeitermädchen würden von Mädchenhändlern in die Prostitution verkauft (white slavery).[2]

Damit waren die komplizierten Entwicklungen und Konflikte der nächsten Jahrzehnte angelegt.






Anmerkungen

  1. Vgl. dazu Mirkin, 1999.
  2. Mit diesem Topos argumentierte im übrigen auch noch Adenauers E 1962, vgl. JaegerH63.