Archiv:Abschaffung des Sexualstrafrechts in Deutschland: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 4. Juli 2009, 23:57 Uhr
WIKIPEDIA | Hinweis: Dieser Artikel basiert auf einem Text, der aus der freien Enzyklopädie Wikipedia übernommen wurde und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Übernommen wurde folgender Wikipedia-Artikel: Abschaffung des Sexualstrafrechts in Deutschland (Fassung vom 07. Juni 2009).
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In den 70er und 80er Jahren war das Sexualstrafrecht in der Bundesrepublik Deutschland sehr umstritten. Viele Liberale und Grüne wollten eine Änderung. Es wurde unter anderem auch eine völlige Abschaffung des Sexualstrafrechtes einschließlich des § 176 StGB diskutiert. Diese Diskussion wurde von der breiten Öffentlichkeit meist abgelehnt und führte 1985 zu einem Skandal um die Grünen (dem sogenannten Kindersexskandal), wo die Landesarbeitsgemeinschaft „Schwule und Päderasten“ im Landtagswahlkampf NRW ein Diskussionspapier vorgelegt hatte, welches explizit die Abschaffung des § 176 StGB forderte.
Sexualstrafrecht
Der 13. Abschnitt des deutschen Strafgesetzbuches regelt die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Der Inzest-Paragraph wird allerdings dem 12. Abschnitt zugeordnet. Bis zu den großen Strafrechtsreformen 1969 und 1973 waren außereheliche Sexualität, Homosexualität und Pornografie generell strafbar und Schutzgut war auch die Sittlichkeit und öffentliche Moral.
Diskussion der 1970er und 1980er Jahre
In den 1970er und 1980er Jahren gab es eine lebhafte Debatte über die Strafbarkeit der Homosexualität und die Streichung des § 175 StGB.
Pädophile versuchten, diese Diskussion für ihre Interessen zu nutzen, und warben in der Schwulenbewegung um Solidarität und Hilfe bei ihrem Anliegen der Abschaffung des § 176 StGB.
Auch Teile der Kriminologie und der Sexualwissenschaften diskutierten in der Folge der „Sexuellen Revolution“ der End-1960er und 1970er Jahre dieses Thema kontrovers und plädierten für einen neuen Umgang mit sexuellen Kontakten zwischen Kindern und Erwachsenen. Sie unterschieden dabei zwischen gewaltfreien Akten, denen das Kind zustimmte, und sexuellem Missbrauch. Diese Sicht wird von den meisten Wissenschaftlern seit den 1990er Jahren nicht mehr vertreten.
Diskussion innerhalb der Partei Die Grünen
Auch innerhalb der damaligen Partei Die Grünen gab es Diskussionen um eine Abschaffung des Sexualstrafrechts, und damit auch um eine Abschaffung des § 176 StGB über den sexuellen Missbrauch von Kindern. Ein entsprechendes Diskussionspapier, das unter dem Titel „Sexualität und Herrschaft“ von der Arbeitsgruppe „Schwule und Päderasten“ („Schwup“) des Landesverbands Nordrhein-Westfalen beschlossen wurde, sorgte im Landtagswahlkampf 1985 für Aufregung („Kindersexskandal“) und wurde breit in der Presse und Öffentlichkeit als Beleg für eine pädophilenfreundliche Haltung innerhalb der GRÜNEN zitiert.
Kernforderungen des Papiers waren
- Streichung der Paragraphen 174 bis 176 des StGB, die den sexuellen Missbrauch von Gefangenen und Kranken sowie Abhängigen, homosexuelle Handlungen an Jugendlichen sowie den sexuellen Missbrauch von Kindern unter Strafe stellen;
- jede sexuelle Handlung, die unter den Beteiligten gewaltfrei ausgeübt werde, müsse straffrei sein (Unterscheidung zwischen gewaltsamem „sexuellen Missbrauch“ und gewaltfreiem „Kindersex“).
Im einzelnen heißt es in dem Papier:
- „einvernehmliche Sexualität (ist) eine Form der Kommunikation zwischen Menschen jeglichen Alters, Geschlechts, Religion oder Rasse und vor jeder Einschränkung zu schützen“[1]
- Sex mit Kindern sei „für beide Teile angenehm, produktiv, entwicklungsfördernd, kurz: positiv“[2]
- „Einvernehmliche sexuelle Beziehungen dürfen grundsätzlich nicht kriminalisiert werden“[3]
- es sei nicht hinzunehmen, dass Erwachsene, die „die sexuellen Wünsche von Kindern und Jugendlichen ernst nehmen und liebevolle Beziehungen zu ihnen unterhalten“, mit Gefängnis bis zu zehn Jahren bedroht würden.[4]
Auch bei den „Realos“ in der Partei war zu diesem Zeitpunkt weitgehend unumstritten, dass für sie eine wesentliche Forderung die Lockerung der Straftatbestände in den §§ 174 bis 184 StGB sei.[5]
Dieses Diskussionspapier wurde am 9. März 1985 von der Landesdelegiertenkonferenz in Lüdenscheid mit 76 zu 53 Stimmen mehrheitlich angenommen und (mit dem Status Diskussionspapier als Anhang) ins Wahlprogramm der NRW-Grünen aufgenommen. Allerdings wurde – wohl auch aufgrund der öffentlichen Diskussion – wenig später eine revidierte Fassung des Programms beschlossen, in der diese Forderung nicht mehr auftaucht.[6]
Es entstand ein starker öffentlicher Druck. Viele Stammwähler blieben der Wahl fern oder wählten eine andere Partei (meistens FDP oder SPD). Die Partei rückte in späteren Jahren deutlich von der Position nach einer kompletten Streichung der Sexualstraftatsbestände ab. Der grüne Politiker Volker Beck trieb nach Gesprächen mit Opferschutzorganisationen die Einführung des § 176a StGB (schwerer sexueller Missbrauch von Kindern) stark voran.
Siehe auch
Literaturangaben
- Raschke, Joachim (1993): DIE GRÜNEN: Wie sie wurden, was sie sind, Köln: Bund-Verlag, insb. S. 360 ff. zum Landesverband Nordrhein-Westfalen.
Quellen
Weiteres Quellenmaterial zum Lüdenscheider Beschluss: SZ, 12. Februar 1985, S. 10; FAZ, 16. Februar 1985, S. 3; FR, 16. März 1985, S.3; Welt, 20. März 1985, S. 4; Spiegel, Nr 13/1985, S. 47 - 52; FAZ, 29. März 1985, S.5
Weblinks
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