Moralpanik

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Moralpanik (moral panic) bezeichnet nach Stanley Cohen »einen Zustand, eine Episode oder eine Personengruppe, denen eine Definition widerfährt, wonach sie gesellschaftliche Werte oder Interessen bedrohen«.

Charakteristika

Charakteristisch für Moralpanik ist ein schnell wachsendes und maßlos übertriebenes öffentliches Interesse an einem Thema, das von Moralunternehmern (moral entrepreneurs) erzeugt wird, und »ein Eigenleben entwickeln kann, in dem die absurden Behauptungen von gestern die Grundlage für noch absurdere Behauptungen von heute bilden, und Aktivisten um die Aufmerksamkeit abgestumpfter Massenmedien konkurrieren, die immer höhere Schockwerte einfordern.« (Philip Jenkins)

Stuart Hall führt weitere Merkmale auf:

  • eine offizielle Reaktion auf Personen oder Ereignisse, die in keinem Verhältnis zu der von ihnen ausgehenden Bedrohung steht,
  • »Experten«, die »wie mit einer Stimme« zu sprechen scheinen,
  • ein »Problem«, das »ständig und dramatisch« zu wachsen scheint und das immer wieder als »neu« dargestellt wird.

Während amerikanische Soziologen ihr Hauptaugenmerk auf psychologische Faktoren legen, thematisieren europäische Wissenschaftler Moralpanik eher vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Umbrüche und Legitimationskrisen, etwa der des kapitalistischen Systems.

Historische Beispiele

Der britische Kriminalsoziologe Stanley Cohen prägte den Begriff 1972, um den öffentlichen Aufruhr und die mediale Brandmarkung zweier Gangs der Londoner Jugendsubkultur (Mods und Rockers) als folk devils, d.h. als pathogen-kriminelle Sozialschädlinge, zu beschreiben, nachdem es Mitte der 1960er Jahre zu teils heftigen Straßenkämpfen zwischen beiden Gruppen gekommen war.

Stuart Hall thematisiert den Enfluß einer hochgezüchteten Kriminalitätsfurcht, ausgelöst durch ein typisch US-amerikanisches Phänomen bewaffneter Raubüberfälle, auf die britische Legislative.

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Sex als Katalysator

Governing through crime

Missbrauchspanik

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Yvonne Jewkes merkt an, dass die Reaktionen bezüglich Pädophilie in der westlichen Welt als »die größte Moralpanik der letzten zwei Dekaden« bezeichnet worden ist.

Literatur

  • Cohen, Stanley (1972). Folk Devils and Moral Panics. London: MacGibbon and Kee
  • Golbert, Valentin (2004). Innere Sicherheit in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten. Ausgewählte Aspekte des Verbrechensproblems im Spätkapitalismus, Real- und Postsozialismus. Diss. Uni Hamburg. http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=961770031&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=961770031.pdf
  • Hall, Stuart et.al. (1978). Policing the Crisis. Mugging, the State, and Law and Order. London: Macmillan Publishers.
  • Jenkins, Philip (1998). Moral Panic: Changing Concepts of the Child Molester in Modern America. New Haven, CT: Yale University Press. ISBN 0-3001-0963-6.
  • Jewkes Y. (2004). Media and crime. Thousand Oaks, Calif: Sage. pp. 76–77. ISBN 0-7619-4765-5.
  • Kutchinsky, Berl (1994). Mißbrauchspanik. Häufigkeit und Befund sexuellen Kindesmißbrauchs. In: Rutschky, Katharina & Wolff, Reinhart. Handbuch sexueller Mißbrauch. Hamburg: Klein.
  • Lautmann, Rüdiger (1996). Mißbrauch. Über Moralpolitik. Merkur, 50(9/10), 865-879
  • Lautmann, Rüdiger (2002). Soziologie der Sexualität. Erotisches Körper, intimes Handeln und Sexualkultur. Weinheim, München: Juventa.
  • Schetsche, Michael (1993). Das 'sexuell gefährdete Kind'. Kontinuität und Wandel eines sozialen Problems. Pfaffenweiler: Centaurus.
  • Torny, M. & Petersilia, J. (Eds.)(1999). Understanding Prison Policy and Population Trends. In: Prisons. Chicago & London: The University of Chicago Press, pp.63-120.