Minderjährige als Täter

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Minderjährige, also Kinder und Jugendliche, sind in Deutschland mit rund 15 % an den Sexualstraftaten i.e.S. – und deutlich mehr als einem Viertel am nicht-exhibitionistischen »sexuellen Mißbrauch« von Kindern – als Tatverdächtige nicht unerheblich beteiligt.[1]



Kriminalstatistik

Ermittelte Tatverdächtige (Deutschland, 2006, 2007)[2][3]
Schlüssel
Tatbestand Anzahl
männl.
%
weibl.
%
Kinder
< 14
%
Jugend.
14 < 18
%
Heranw.
18 < 21
%
Erw.
ab 21
%
Anzahl
männl.
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weibl.
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Kinder
< 14
%
Jugend.
14 < 18
%
Heranw.
18 < 21
%
Erw.
ab 21
%
2006 2007
1000 Straftaten gg. die sex. Selbstbestimmung
insgesamt
37.128 94,6 5,4 3,2 11,5 7,3 78,0 40.333 94,4 5,6 3,1 11,2 7,1 78,6
1100 Vergewaltigung und sexuelle Nötigung
(§ 177 Abs. 2, 3 und 4, 178 StGB)
6.979 98,8 1,2 1,6 11,0 11,0 76,4 6.456 99,0 1,0 1,4 12,0 11,1 75,5
1120 sonstige sexuelle Nötigung
(§ 177 Abs. 1 und 5 StGB)
5.595 98,3 1,7 3,2 13,3 8,8 74,7 5.518 98,0 2,0 2,5 14,9 9,3 73,3
1130 sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen
pp. unter Ausnutzung einer Amtsstellung
oder eines Vertrauensverhältnisses
1.404 93,6 6,1 0,0 2,0 1,2 96,8 1.328 93,8 6,2 0,1 2,7 1,4 95,8
1310 Sexueller Mißbrauch von Kindern
(§ 176, 176a, 176b StGB)
9.344 95,6 4,4 7,5 17,3 6,6 68,6 9.087 96,4 3,6 7,8 17,7 7,4 67,1
1320 exhibitionistische Handlungen und
Erregung öffentlichen Ärgernisses
3.388 98,5 1,5 0,7 4,9 4,4 90,0 3.326 98,1 1,9 0,6 5,9 5,7 87,8
1433 Besitz/Verschaffung von Kinderpornografie
(§ 184b Abs. 2 und 4 StGB)
4.130 95,1 4,9 0,3 4,4 5,0 90,2 8.234 92,4 7,6 0,2 2,1 3,2 94,5

(bitte ergänzen)

Kindliche Tatverdächtige

Deutschland

Kinder (bis zum vollendeten vierzehnen Lebensjahr) sind – seit 1953[4] – gemäß § 19 StGB nicht strafmündig; werden sie als Verdächtige ermittelt, so wird das Verfahren eingestellt. Dies bedeutet nicht, daß es keine Sanktionen gibt, sondern nur, daß sie nicht im Straf-, sondern im Familien- und Jugendhilferecht verankert sind.

Für die Täter unter 14 Jahren ist also nicht das StGB relevant, aber das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG). Kinder, die sexuelle Handlungen nach § 176 StGB begehen (also "sexuell missbrauchen") gelten bei Psychologen und Pädagogen unter Umständen als "verhaltensauffällig", "sexuell gestört" oder/und als "sexuell grenzverletzende Kinder und Jugendliche", die pädagogischer Interventionen bedürfen.

Jugendliche Täter

Durch den § 176 StGB werden regelmäßig Jugendliche und Heranwachsende verurteilt, 14–21jährige, die mit Kindern bis 13 Jahren sexuelle Handlungen begangen haben. Diese Jugendlichen gelten als vorbestraft, genauso wie erwachsene Täter.

(neue Sexualstrafverschärfung bzgl. Prostitution und Verbreitung/Herstellung/Besitz von Pornographie ab 18, mildere Verfolgung sexuellen Missbrauchs entsprechend Jugendstrafrecht, Kritik, dass keine Altersabstandsregelung; Wissen der Jugendlichen um die Altersgrenzen und die Folgen; tatsächliche Verurteilungszahlen nach Bundesamt für Statistik) ...

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»Sexuell grenzverletzende Kinder und Jugendliche«

Für "sexuell grenzverletzende Kinder und Jugendliche" hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Kinder (BMFSFJ) »Qualitätsempfehlungen für den professionellen Umgang« [5]. Diese Qualitätsempfehlungen des BMFSFJ fassen den Begriff sehr flexibel und weit:

„Der Begriff sexuell grenzverletzenden Verhaltens wird bewusst weit gefasst und nicht beschränkt auf die Begehung von Straftaten im Sinne des 13. Abschnitts des StGB. Unter sexuell grenzverletzendem Verhalten wird in diesem Bericht auch dann gesprochen, wenn die Motivationslage nicht primär sexuell bedingt ist. Sexuell grenzverletzendes Verhalten hat einen interpersonellen Charakter, liegt auch vor, wenn kein Körperkontakt (Exhibitionismus, Internet, Zeigen von pornographischen Filmen, etc.) besteht. Es ist immer gekennzeichnet von einem Machtgefälle zwischen „Täter“ und „Opfer“.“

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Kinder (BMFSFJ): PDF-Datei

Für die Bezeichnung der "sexuellen Grenzverletzung" unter Kindern wird also ein Machtgefälle als voraussetzend angenommen. Demnach wird nicht bei allen kindlichen Tätern des § 176 StGB die Notwendigkeit spezifischer Interventionen bei Bekanntwerden der Sexuellen Handlungen gesehen. [?]

Kritik am Konzept der »Sexuell grenzverletzenden Kinder und Jugendlichen«

Kritisiert wird an dem dargestellten Konzept, dass die Definition des "Sexuell grenzverletzenden Verhaltens" sehr vage bleibt und geeignet sei, auch einvernehmliche Handlungen von Kindern zu pathologisieren und kriminalisieren.

Hingegen wären alternative Konzeptionen denkbar. So könnte man mit Rind et al (1998) erklären, was unter "sexuell grenzverletzend" zu verstehen ist: Konstellationen, in denen Zwang, Gewalt, Nötigung vorherrscht, überall da, wo der Wille gebrochen wird.

Interventionen nach KJHG

Diese "sexuadevianten" Kinder erhalten sogenannte Hilfen, wie z.B. die durch §34 KJHG legitimierte Heimerziehung. In Deutschland existieren für diese Tätergruppe gar Spezialeinrichtungen, in denen Kinder und Jugendlichen lernen, keinen Sex mit Minderjährigen zu betreiben! [6] Gemäß § 1666 BGB (vgl. auch § 3 JGG) darf das Familiengericht die "erforderlichen Maßnahmen" treffen, das bedeutet: Die Überwachung des Kindes um das Kindeswohl herum. Ihren Eltern wird ggf. das Sorgerecht entzogen, die entsprechenden Voraussetzungen festgestellt werden.


Kritik am Sexualstrafrecht

Auf Basis der hier dargestellten Situation wird der § 176 StGB von BLs sowie zum Teil durch Experten der Sexualwissenschaft als undifferenziert und unverhältnismäßig kritisiert. Ohne nähere Eingrenzung im Gesetzestext und ohne Klauseln für mögliche Straffreiheit oder mildere Fälle wird pauschal jede sexuelle Handlung zwischen Unter- und Über-14-Jährigen per Strafrecht kriminalisiert. Dabei werden Fragen des Alters, Altersabstandes, Fragen der Einwilligung, der Gewalt oder des Zwangs, der mit der Handlung verbundenen Gefühle und Folgen ignoriert (sie sind nur innerhalb der Bemessung des Strafrahmens relevant, der aber in den vom Gesetz vorgegebenen Grenzen bleiben muss).

Umgekehrt wird angemahnt, dass Verfolgungen dieser Straftaten - und seien es nur bereits die polizeilichen Ermittlungen - bei Kindern oftmals Sekundärschäden bewirken und daher die Verhältnismäßigkeit zwischen den Folgen der strafbaren Handlung und den Folgen deren Verfolgung verletzt ist, erst recht bei vielen Konstellationen mit geringem Altersabstand.

Siehe auch

Externe Links

Quellen

  1. Polizeiliche Kriminalstatistik 2006, 139. – Der Exhibitionismus hat nur bei erwachsenen Tätern einen erheblichen Anteil an den Taten nach § 176 StGB; läßt man ihn beiseite, so erhöht sich der Anteil minderjähriger Tatverdächtiger entsprechend.
  2. Polizeiliche Kriminalstatistik 2006 - Bundesrepublik Deutschland, Bundeskriminalamt, bka.de, S. 134 (PDF-S. 139)
  3. Polizeiliche Kriminalstatistik 2007 - Bundesrepublik Deutschland, Straftaten gegen die Sexuelle Selbstbestimmung, Bundeskriminalamt, bka.de, S. 134 (PDF-S. 2)
  4. Die Strafmündigkeit lag übrigens vor Inkrafttreten des JGG im Jahre 1923/1953 bei 12 Jahren; da gelegentlich die Gültigkeit des (damals einschlägigen) § 176 Abs. 3 a.F. StGB für kindliche Täter infrage gestellt wurde, sei darauf hingewiesen, daß es durchaus damals Vefahren gegen Kinder gab. Vgl. Moll, Sexualleben des Kindes.
  5. http://www.kinderschutz-zentren.org/pdf/quali_sexuellgrenzverletzendenjug.pdf
  6. Z. B. Kinder- und Jugendpsychiatrie in Vierssen, vgl. Rotthaus/Gruber, Systemische Tätertherapie mit Jugendlichen und Heranwachsenden ≀ Sexueller Mißbrauch (Amann/Wipplinger, Hg., 32005), 641–657.