Päderastie
Außergriechische Kontexte
Europa
Eine (möglicherweise nicht ganz ernst gemeinte) philosophische Verteidigung dieser Praxis stellte Antonio Rocco in seiner berüchtigten Polemik L'Alcibiade, fanciullo a scola (Alcibiades der Schuljunge) dar, in der der Lehrer nach und nach die Einwände seines schönen Schülers gegen fleischliche Beziehungen überwindet. Zur gleichen Zeit benutzte die katholische Kirche alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, um die „Verderbtheit durch Sodomie“ zu bekämpfen, sei es unter Nutzung von Inquisitions-Gerichten oder der weltlichen Justiz. Männer mussten Geldstrafen zahlen oder wurden inhaftiert, Jungen wurden ausgepeitscht. Die grausamsten Strafen, wie das Verbrennen auf dem Scheiterhaufen, waren gewöhnlich auf die Ahndung von Verbrechen gegen sehr junge Kinder und sexuelle Handlungen unter Gewaltanwendung beschränkt.
Päderastie führte zusammen mit einem fortwährenden Unwohlsein bezüglich gleichgeschlechtlicher Beziehungen dazu, dass nordeuropäische Autoren päderastische Tendenzen den Völkern aus südlicheren Gefilden zuschrieben. Richard Francis Burton entwickelte seine Theorie der Sotadic zone, einem Gebiet, das etwa von 43° bis 30° nördlicher Breite reiche und sich von den westlichen Küsten des Mittelmeeres bis zum Pazifischen Ozean erstrecke. Wilhelm Kroll behauptete Ähnliches in der Pauly-Wissowa-Enzyklopädie von 1906: „Die Wurzeln der Päderastie finden sich vor allem in der Existenz konträrer sexueller Gefühle, die wahrscheinlich in südlichen Regionen häufiger anzutreffen sind als in Ländern mit gemäßigtem Klima.“
Ende des 19. Jahrhunderts verstärkte sich der Konflikt um die Päderastie. So prangerte Friedrich Engels in seinem Werk „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ die antiken Griechen wegen der „Widerwärtigkeit der Knabenliebe“ an. [1]
Afrika
Von der Oase Siwa wurde im 20. Jahrhundert die Existenz einer pervasiven päderastischen Subkultur berichtet.
Asien
China
Im China des 10. Jahrhunderts bestanden männliche Paare aus einem Älteren (ch’i hsiung = 契兄) und einem Jüngeren (ch’i ti = 契弟). Die Begriffe bedeuten wörtlich verschworener älterer/jüngerer Bruder. In der chinesischen Kultur ist es üblich, Beziehungen als fiktive Verwandtschaftsbeziehungen aufzufassen. Die Knaben-Ehen, die aufrechterhalten wurden, bis der jüngere Partner eine Frau gefunden hatte (oft mit Hilfe des Älteren), scheinen ein Teil der Kultur der Provinz Fujian in vor-modernen Zeiten gewesen zu sein. Die Eheschließungen sollen in den beiden Familien auf traditionelle Art und Weise gefeiert worden sein, einschließlich dem "Neun-Teetassen"-Ritual. Die Popularität dieser päderastischen Beziehungen in Fujian, wo es für sie sogar einen Schutzgott gab (Hu Tianbao), führte zu einem der euphemistischen Ausdrücke für gleichgeschlechtliche Liebe: "die südliche Sitte". Das Interesse von Männern an männlichen Jugendlichen spiegelte sich auch in der Prostitution wider. So erzielten junge männliche Sex-Arbeiter bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts höhere Preise als ihre weiblichen Gegenstücke.
Japan
Lit. Male colors / Gary P. Leupp.
Ozeanien
Mittelamerika
Bernal Díaz del Castillo berichtete in seinem Buch Wahrhafte Geschichte der Eroberung von Neuspanien, dass die mexikanischen Völker regelmäßig päderastische Beziehungen unterhielten. Obwohl man annimmt, dass die Maya in der Frühzeit deutlich gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen eingestellt waren, machten spätere Maya-Staaten Gebrauch von päderastischen Praktiken. Ihre Einführung wurde dem Gott Chin zugeschrieben. Ein Aspekt war z.B., dass ein Vater seinem Sohn einen jüngeren Liebhaber verschaffte. Juan de Torquemada erwähnt, dass, falls der jüngere Junge von einem Fremden verführt wurde, die Strafe vergleichbar mit der für Ehebruch war.
- ↑ Friedrich Engels: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats. In: Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. Band 21, 5. Auflage. (Karl) Dietz Verlag, Berlin/DDR 1975, S. 36-84.