Henry de Montherlant
Henry [Marie Joseph Frédéric Expedite Millon] de Montherlant (* 20. April 1896 in Paris; † 21. September 1972 ebenda) war ein französischer Romancier, Dramatiker und Essayist.
Leben
Henry de Montherlant, der zeitlebens nur den Familiennamen Millon und Henry de Montherlant nur als nom de plume benutzte, wurde in eine wohlhabende, katholisch-royalistische Familie hineingeboren, in der er nur zu Mutter und Großmutter ein inniges Verhältnis entwickelte. Er hatte Hauslehrer und besuchte dann verschiedene Schulen, zuletzt ab Januar 1911 das katholische Collège Sainte-Croix in Neuilly. Diese Schule musste er im März 1912 wegen einer intimen Freundschaft zu einem jüngeren Schüler kurz vor dem Abitur verlassen. 1916 wurde er eingezogen und erhielt mehrere Auszeichnungen. Den Ersten Weltkrieg verarbeitete er in der autobiografischen Erzählung Traum und dem Lied Chant funèbre pour les morts de Verdun (Totengesang für die Gefallenen von Verdun). Beide Werke würdigen den Heroismus im Ersten Weltkrieg.
Erste literarische Versuche unternahm Montherlant schon als Zehnjähriger, teils zusammen mit seinem Jugendfreund Jacques-Napoléon Faure-Biguet. Nach dem Krieg wandte er sich endgültig dem Schriftstellerberuf zu. Seine Themen waren zunächst Jugend, Krieg, Stierkampf. Von 1920 bis 1924 war er Generalsekretär des Soldatenfriedhofes von Douaumont. Ab 1925 lebte er auf Reisen in Spanien und Nordafrika, um in den dreißiger Jahren wieder nach Paris zurückzukehren. Er hatte seinen größten Erfolg mit der Romantetralogie Les jeunes filles (dt. Titel: Erbarmen mit den Frauen) (1936–1939).
1940 war er Kriegskorrespondent und von 1942 bis 1945 beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz tätig.
Nach dem Krieg wandte er sich dem Theater zu. 1960 wurde Montherlant in die Académie française gewählt. Seine Gesundheit begann sich zu verschlechtern; er nahm nun nach einer Pause von mehr als zwanzig Jahren die Arbeit an Romanen wieder auf und veröffentlichte unter anderem La rose de sable und Les garçons, die auf jahrzehntealte Vorarbeiten zurückgehen.
Les garçons
Ils prirent un fiacre. Serge enleva sa casquette, mit ses pieds sur le petit strapontin de devant, et ainsi, à demi étendu, un peu recroquevillé, s'appuya sur Alban. Il était à sa gauche, et le bras de son camarade l'entourait et l'enserrait avec force, tandis qu'il s'installait à petits coups, inoubliablement . . . « Mon petit corps ! Mon petit corps ! »
Mais quand Alban commença de le baiser au visage et dans le cheveux, il eut d'abord, surpris peut-être par la violence de ces baisers, peut-être par cette même obscurité qui enhardissait son partenaire, ou bien comme s'il ne voulait voir ce qui se passait, un réflexe de gosselot de neuf ans, tout frais en ces choses : cachant sa figure sur ses petit pattes tachées d'encre, tout de même qu'un boxeur se couvre, ou qu'un jeune chat croise ses pattes par-dessus la sienne, avec un fou rire, le petit rire saccadé, ininterrompu et bête, de quelqu'un qui est mal à l'aise. Et peu à peu, dans une absolu silence, les main levées s'abaissèrent et le rire cessa. Alors il s'étira, se poussa, s'encoigna, s'installa encore un peu plus, et Alban le serrait toujours davantage contre soi, remontant ses mèches, dénudant ce front imprévu, grattant le sommet de sa nuque, (mais quid de la célèbre bosse, révélatrice de lubricité infinie ? Rien, il faut le dire, rien . . .), découvrant un nouveau visage, qu'on ne connaissait pas, qui n'était qu'à lui seul, et qui les lumières de l'avenue tantôt éclairaient, tantôt rejetaient dans l'ombre. « J'aurai enfin vu tourné vers moi ce visage que je ne jamais vu tourné que vers ce qui n'est pas moi. » et c'était, pour l'un et pour l'autre, la première fois des gestes qu'ils allaient recommencer toute leur vie. Alban : Jamais je n'aurais cru que nous nous trouverions un jour dans cette situation. Serge : Moi non plus, jamais ! Et dire qu'il y a quinze jours, tu m'as dit que je te dégoûtais . . .
[Les garçons, Romans II, p.550)
Sie nahmen einen Fiaker. Serge nahm seine Mütze ab, stellte die Füße vorn auf den kleinen Klappsitz, und so, halb ausgestreckt, ein bißchen zusammengekrümmt, lehnte er sich an Alban. Er saß links von ihm, und der Arm seines Kameraden umschlang ihn und zog ihn energisch an sich, während er es sich mit kleinen ruckartigen Bewegungen auf seinem Sitz bequem machte. Alban würden diese Bewegungen unvergeßlich bleiben . . . »Dieser kleine Körper! Dieser kleine Körper!«
Aber als Alban begann, ihn aufs Antlitz und ins Haar zu küssen, reagierte er zunächst – vielleicht überrascht über die Heftigkeit dieser Küsse, vielleicht auch gerade wegen dieser Dunkelheit, die seinen Partner kühn machte, oder vielleicht auch, weil er nicht sehen wollte, was geschah – wie ein kleiner Junge von neun Jahren, dem solche Dinge völlig neu sind: Er verbarg das Gesicht unter seinen kleinen tintenverschmierten Pfoten, wie ein Boxer sich deckt oder wie eine junge Katze ihre Pfoten übereinander kreuzt, und zwanghaft lachte er dabei dieses kleine abgehackte, ununterbrochene und dumme Lachen, das jemand hat, der sich unbehaglich fühlt. Aber allmählich wurde er immer stiller, die erhobenen Hände sanken herab und das Lachen endete. Dann räkelte er sich, drängte sich heftig an Alban, rutschte noch tiefer in seinen Sitz und macht es sich noch bequemer, und Alban zog ihn immer enger an sich, strich ihm die Haarsträhnen zurück und sah dabei zum ersten Mal seine Stirn, kraulte ihn im Nacken (aber fand er dort die berühmte Beule, die eine unendliche Lüsternheit verrät? Nichts, es muß gesagt werden, nichts . . .), entdeckte ein neues, ihm unbekanntes Gesicht, das ihm allein gehörte und das die Lichter der Avenue bald erhellten, bald ins Dunkel zurückwarfen. »Endlich werde ich dieses Gesicht mir zugewandt gesehen haben, dieses Gesicht, das ich immer nur etwas zugewandt sah, das nicht ich war.« Und für beide begann hier jener Ritus, den sie in ihrem ganzen Leben immer aufs neue zelebrieren sollten. Alban: »Ich hätte nie geglaubt, daß wir einmal so zusammen sein würden.« Serge: »Ich auch nicht, nie! Und wenn man bedenkt, daß du vor vierzehn Tagen zu mir gesagt hast, ich ekle dich an . . .,« (141f)
Der Roman endet mit dem Tod des abbé de Pradts, der zurückblickt und stirbt, während durch das geöffnete Fenster das Fußballspiel der Jungen dringt und während er auf eine Wand voller Jungenphotos blickt: auf jene, »die in seinem Leben einander abgelöst hatten – wie die Korkstücke ein Fischnetz an der Oberfläche des Meeres halten, so hatten sie ihn an der Oberfläche des Lebens gehalten«. (471)
Literatur
- Pierre Sipriot: Montherlant sans masque. – Paris: Laffont. – Bd. 1. L'enfant prodigue: 1895–1932. (1982). Bd. 2. Écris avec ton sang: 1932–1972. (1990). Biographie. Register im 2. Bd.
- Album Montherlant / iconographie réunie et commentée par Pierre Sipriot. – Paris: Gallimard, 1979. (Bibliothèque de la Pléiade)
- Faure-Biguet, J.-N. (Jacques Napoléon): Les enfances de Montherlant. – Paris: Plon 1941; ²Paris: Lefebvre, 1948. Erinnerungen eines Jugendfreundes